Der Schwabenstreich – auch in Bremen!

Jeden Montag auch in Bremen: „Schwabenstreich“ zur Unterstützung der Stuttgarter in ihrem riesigen Protest gegen Abriß und Untertunnelung ihres Hauptbahnhofes (“S 21”) auch in Bremen. Er wird organisiert von Gernot Schulz und unterstützt von der Bremer Montagsdemo, die nach ihrer Kundgebung, die um 17.30 auf dem Marktplatz beginnt, vor den Bremer Hauptbahnhof ziehen. Hier ein Interview mit Gernot über einige Vorder- und Hintergründe. Die Fragen stellte Sönke Hundt.

Frage: Was ist der “Schwabenstreich” eigentlich? Welche Ziele verfolgt er? Wann und warum ist er gegründet worden? Wer organisiert das in Bremen? Was passiert genau dabei?

Antwort: Der Schwabenstreich bezeichnet im schwäbischen Sprachraum eine oft wagemutige Handlung, die gewisse intellektuelle Fähigkeiten voraussetzt und in der Regel einen vorteilhaften Ausgang für den Handelnden hat. Der Schwabenstreich ist auch ein Gedicht von Ludwig Uhland. Er wurde als Form der Demonstration gegen Stuttgart 21 von Walter Sittler und Gangolf Stocker gegründet. Am besten, man sieht sich die Action mal auf den Videos hier an:

Gegründet wurde der Schwabenstreich in Bremen am 12.09.2010 von Andreas Falk aus Schorndorf, dessen Sohn hier lebt. Ich habe die Organisation dann de facto am gleichen Tag übernommen. Ich führe ihn am Hauptbahnhof jeden Montag von 18.30-19.00 h durch. Zuerst halte ich eine Rede über die vergangene Woche in Stuttgart und von 18.59-19.00 h kommt dann der eigentliche “Schwabenstreich”. Der besteht aus möglichst viel Krach in kurzer Zeit als Protestform.

Frage: Wann findet in Bremen der nächste “Schwabenstreich” statt?

Antwort: Schon am kommenden Montag, 01.11.2010, Bremen Hauptbahnhof, Haupteingang. Um 17.30 beginnt die Bremer Montagsdemo, wie jeden Montag, auf dem Bremer Marktplatz. Dann folgt eine Demo zum Hanseatenhof. Um ca. 18.30 geht’s weiter zum “Schwabenstreich” vor dem Hauptbahnhof. Ab 18.45 beginnt der “Schwabenstreich” mit dem offenen Mikrofon. Von 18.59 bis 19.00 folgt dann eine Minute Krach.

Frage: Wie kam die Zusammenarbeit mit der Montagsdemo zustande?

Antwort: Am 13.09. wartete ich am Hauptbahnhof auf die Teilnehmer des 1. Schwabenstreiches. Und als niemand kam, wollte ich eigentlich schon enttäuscht nach Hause gehen. Aber da trat die Montagsdemo auf. Die Teilnehmer haben sich mit uns solidarisch erklärt. Seitdem machen wir das gemeinsam.

Frage: Wie hoch war die Beteiligung beim letzten Mal? Wie ist das Echo?

Antwort: Die Beteiligung beim letzten Schwabenstreich in Bremen lag bei 20 Personen.
Die Resonnanz ist gut für bremische Verhältnisse. Wir haben immer 20 – 30 Personen.

Frage: Welches sind die wichtigsten Ziele der Bewegung gegen den Umbau bzw. Abriß des Stuttgarter Hauptbahnhofs?

Antwort:
1. Erhalt des Kopfbahnhof mit 16 Gleisen. 2. Ausbau der Kapazität des Kopfbahnhofes für einen interigrierten Taktfahrplanes. 3. Erhalt des Lebensraumes Schloßpark 4. Erhalt der Mineralquellen in Stuttgart, die es sonst nur noch in dieser Form in Budapest gibt. 5. Erhalt des Gleisvorfeldes als Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere und als Klimaregulator für Stuttgart

Frage: Was bringt die Leute – und die Stuttgarter sind ja eher als friedlich bekannt – so auf die Palme, dass sie solche Riesendemonstrationen und mit so viel Krach und Echo auf die Beine bekommen?

Antwort: Was die Leute auf die Palme bringt?
* Dass ihnen wichtige Unterlagen vorenthalten werden. * dass sie bei dem Bürgerbegehren betrogen wurden. * dass mit falschen Zahlen schön gerechnet wird.

Frage: Was steckt eigentlich deiner Meinung wirklich hinter dem Umbau? Die offiziell genannten sind nicht die wahren? Welche wirtschaftlichen Interessen sind deiner Meinung nach der eigentliche Motor für den Umbau?

Antwort: Es handelt sich im Kern um ein rieisiges Immobliengeschäft. 1997 hat die Stadt Stuttgart der Bahn bereits das gesamte Gleisvorfeld abgekauft. Und das sind an die 100 Hektar Fläche in der allerbesten Stadtlage. Es ist das Geschäft einzelner: Banken, Immobilienfirmen. In denen zum Teil auch stuttgarter Politiker vertreten sind.

Frage: Könntest du die riesige Protestbewegung umschreiben? Wer protestiert? Aus
welchen Kreisen der Bevölkerung kommen die Protestierer?

Antwort: Die Protestbewegung umschreibt die ganze Bevölkerungsskala von Oben bis Unten: Anwälte, Ärzte, Architekten, Ingenieure, die gesamte Mittelschicht, Rentner, Schüler, Familien mit Kindern, alle.

Frage: In den Medien spielt Heiner Geißler als Schlichter zwischen Befürwortern und Gegnern eine zentrale Rolle. Kann es überhaupt einen Kompromiss geben?

Antwort: Nein. Es ist Zeitschinden für Mappus, Gönner und Grube. Sie brauchen Zeit, um unumkehrbare Fakten zu schaffen. Grube hat vier Tunnelprojekte ausgeschrieben, die nicht einmal planfestgestellt sind. Kosten: 1,5 Milliarden €. Das Grundwassermanagement wird vorangetrieben, der Südflügel wird weiterentkernt. Uns wurde eine Friedenspflicht während der Schlichtung – keine Demos – zugewiesen. Es gibt nur Kopfbahnhof oder Tiefbahnhof. Es sind baulich keine Kompromisse machbar.

Frage: Wird es Geißler gelingen, die Protestbewegung zu spalten? Die “Parkschützer” z.B. haben erklärt, dabei nicht mitzumachen?

Antwort: Nein, die Parkschützer sind eh aussen vor bei der Friedenspflicht, weil sie nicht am Tisch sitzen. Im übrigen § 8 GG gilt auch bei dieser Schlichtung. Es geht ja nicht um Streiks oder Tarifverhandlungen, wo man sich zwischen 3,5 oder 5,7 Prozent irgendwo einigen kann.

Frage: Der Protest gegen Stuttgart 21 hat vielen Stuttgarterinnen und Stuttgartern wohl die Augen geöffnet über den wahren Charakter unserer Gesellschaftsordnung. Inwiefern geht der Protest über den Protest gegen ein großes Bauvorhaben hinaus?

Antwort: Es ist die Politikerwillkür, das Schaffen von Fakten, unerlaubtes Abholzen von 25 alten Bäumen, Hinwegsetzen über den Willen der Mehrheit der Bevölkerung von Stuttgart. Das empört die Teilnehmer an den Demos.

Frage: Im Gespräch sind ein Bürgerentscheid oder ein Volksentscheid? Was sind die
Unterschiede bzw. wofür machst du dich stark?

Antwort: Nur für einen Bürgerentscheid! Hier entscheidet die Bevölkerung von Stuttgart. Beim Volksentscheid würde die Bevölkerung von Baden-Württemberg entscheiden. Was eh irrsinnig ist, weil es auf dem Land gar keine Informationen über das Projekt gibt, die Bevölkerung erzkonservativ ist und ohne zu denken für das S21 stimmen würde. Ich bin nur für den Bürgerentscheid.

Frage: In den Umfragen scheinen die Grünen und sogar die SPD von der Protestbewegung zu profitieren? Ist ihr Engagement glaubhaft?

Antwort: Die SPD hat zuerst für S21 gestimmt. Dann ist die Partei umgeschwenkt und macht jetzt ihre Meinung von diesem Entscheid abhänig. So langsam wird sie aber auch wach. Die Bundes-SPD hat sich auch zu lange verschlossen verhalten. Die Grünen sind gegen S21 aus den ökonomischen und ökologischen Gründen. Sie stand immer gegen an.

Letzte Frage: Wie schätzt du die Erfolgsaussichten des Protestes ein?

Anwort: GUT! Es wird nicht gebaut, alleine deswegen nicht, weil man in Deutschland immer mehr Gegner findet. Auch in den verschiedenen Parteien.

Vielen Dank für das Gespräch! Und … nicht vergessen: am kommenden Montag, 1.11.10 um 18.30 Uhr am Bremer Hauptbahnhof zum “Schwabenstreich”!

http://www.dielinke-bremen.de/nc/politik/aktuell/detail/zurueck/bremennews/artikel/der-schwabenstreich-auch-in-bremen
29.10.10

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