Schuster und der Versuch Gegner von Stuttgart 21 mundtot zu machen

An Herrn Schuster,

Auf meinen journalistischen Artikel vom 10.9.2010 „Wollt ihr den totalen Abriss?“ reagierten Sie oder einer ihrer Stiefellecker mit einer Anzeige wegen Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft nahm hörig Ermittlungen auf und das Stuttgarter Amtsgericht stellte freimütig die Beleidigung per Strafbefehl fest. Man unterstellte mir ein Bild zu verwenden, um meine Missachtung Ihnen gegenüber auszudrücken. Völlig unbeachtet blieb der Zusammenhang des Bildes mit dem Artikel. Lange habe ich mit mir gerungen, auf den Strafbefehl per Einspruch zu reagieren. Ich habe es nicht getan, und möchte Ihnen hiermit meine Gründe mitteilen:

1.

Meine Zeit ist es nicht wert, sich mit ihren Befindlichkeiten auseinanderzusetzen. Es ist vielmehr so, dass Sie und ich wissen, dass diese Farce der Einschüchterung von Journalisten dient. Bei mir werden Sie keine Plattform zur Darstellung eines verletzten Ehrgefühls erhalten. Sie, in Ihrer Eigenschaft als Stuttgarts Oberbürgermeister, haben sich die Missachtung durch eine breite Bürgerschaft selbst verdient, dazu brauchte es nicht meines Artikels. Ein weiterer Schauprozess würde Ihnen, so meine Meinung, durch mein Verfahren vor Gericht nicht zu besserem Ansehen verhelfen, sondern Ihnen zusätzlich schaden. Ebenso ist mir egal, dass meine Geldstrafe auf dem Konto der Staatsanwaltschaft und der Richterin als Pluspunkt für Kompetenz und Effizienz zählt.
2.

Über den Zeitpunkt besagter Beleidigungsanzeige hinaus beobachte ich im Zusammenhang mit Stuttgart 21 Tatsachen, die einem demokratisch geführten Bundesland unwürdig sind und Vorkommnissen und übliche Praktiken in Diktaturen sehr nahe stehen. Dies aufzuzeigen, wird ein spannendes Feld.
3.

Dass die dargestellten Propaganda-Mechanismen Ihrer Partei (z.B. Flyer des CDU-Kreisverbandes Stuttgart, nach dem für S 21 nur Pluspunkte und für K 21 natürlich nur Minuspunkte gäbe) und von Ihnen selbst (z.B. Bürgersprechstunde Stuttgart Ost) weiterhin und nach dem für alle Welt zugänglichen Faktenaustausch ungeniert geäußert werden, zeigt außerdem, dass Sie als Oberbürgermeister an einer Befriedigung der Parteien und insbesondere an der Überdenkung der Alternativen nicht im geringsten interessiert sind.

Um es klar und deutlich auszudrücken: Die Bahn und die Stadt Stuttgart wird sehenden Auges mit unbekannten Milliarden Euro gegen die Wand gefahren! Pro-Bahn-Experten, der Bundesrechnungshof, SMA, Umweltverbände, eine Vielzahl von Architekten, Unternehmern weisen beständig darauf hin, dass der Nutzen des geplanten Bahnhofs für die Bevölkerung nicht besteht und auch nicht die erforderliche Kapazität haben wird. Und trotzdem werden ständig dieselben hohlen Sprüche wiederholt. Kritiker werden unter fadenscheinigen Argumenten kriminalisiert und finanziell geschädigt. Vielleicht schafft man es ja, dass Stuttgart in eine jahrzehntelange Bauruine verwandelt wird, um nach diesen Jahren stolz zu verkünden, endlich wieder einen Bahnhof zu haben.Vielleicht schafft man es aus einem lebens- und liebenswertem Stuttgart ein hochspekulatives Immobilienpflaster zu machen, bei dem wenige ihr Kapital mehren, auf Kosten der Kreditnehmer, der zuletzt der Steuerzahler sein wird. Aber bis es soweit ist, werde ich weiterhin die Macht der Worte und der Bilder nutzen, um Menschen und Situationen der Wahrheit nahe darzustellen. Meinungs- und Pressefreiheit sind rechtsstaatliche Güter, die Sie bekämpfen können. Noch sind sie verfassungsrechtlich manifestiert.

Lieber Herr Oberbürgermeister Schuster. Ich kann getrost jeden Tag in den Spiegel sehen. Ich kann ohne Leibwächter im Schlosspark spazieren gehen. Ich muss keine Hinterausgänge verwenden. Ich bin stolz auf jedes Wort und jedes Bild, das ich im Zusammenhang mit Stuttgart 21 verbreitet habe. Ich werde auch weiterhin ihr antrainiertes und künstliches Lächeln fotografieren. Es ist die Aufgabe des mündigen Bürgers und die Aufgabe eines jeden Journalisten, das freundlich antrainierte Lächeln zu entzaubern.

Der Versuch Gegner mundtot zu machen war genau die Methode, der sich auch der Herr bedient hat, den Sie in ihrem Bild gesehen haben. Sie haben also nicht nur einen Spiegel vorgehalten bekommen, sondern das Bildnis auch noch manifestiert.

Meinungs- und Pressefreiheit sind es wert, darum zu kämpfen. Solange es zumindest noch im Grundgesetz verankert ist, dass man die eigene Meinung auch öffentlich vertreten darf, lasse auch ich mir nicht den Mund verbieten.

Höflichkeitsfloskeln entbehrend
Jo Schwarz als Privatperson

http://www.buntgrau.de/index.php/2011/02/08/schuster-und-der-versuch-gegner-von-stuttgart-21-mundtot-zu-machen/

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